BER und probabilistische Vorhersage– Teil 1

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„Kein Politiker, kein Flughafendirektor und kein Mensch, der nicht medikamentenabhängig ist, gibt Ihnen feste Garantien für diesen Flughafen”.

Für diese schöne, treffende Aussage wurde der Sprecher des BER, Daniel Abbou, vor ca. 2 Monaten entlassen. Zu diesem Zeitpunkt hat sie inhaltlich eingentlich niemanden mehr besonders schockiert oder auch nur überrascht. Die Öffentlichkeit traut aktuell wohl keinem genannten Eröffnungstermin mehr1; verwundern tat eher die dünnhäutige Reaktion des Vorstands, der scheinbar immer noch einen Rest der Illusion von Kontrolle und Planbarkeit aufrechterhalten möchte.

Nun bin ich kein Experte für die technischen Aspekte der Probleme. Was hier im Einzelnen schiefgelaufen ist, und welche baulichen Schlüsse man daraus für zukünftige Flughafenneubauprojekte ziehen sollte, müssen Andere klären. Können wir aus der Geschichte trotzdem etwas lernen, möglichst mit Relevanz für unser Thema, die Vorhersage? Ich denke ja.

Zunächst einmal: Verzögerungen (und, damit stets verbunden, höhere Kosten) gibt es bei komplexen Bauprojekten häufig. Natürlich nicht ganz so häufig, wie subjektiv gefühlt, denn die Wahrnehmung konzentriert sich auf die spektakulären Pleiten wie S21, Elbphilharmonie und eben BER, während im Wesentlichen reibungslos ablaufende Projekte kaum Aufmerksamkeit erfahren. Solche Verzerrungen der Wahrnehmung sind ein häufiges Problem, wenn wir versuchen eine realistische Basiswahrscheinlichkeit für bestimmte Ereignisse zu bestimmen. Würde ich hier versuchen, konkrete Vorhersagen zu machen, müsste ich zumindest einige Pi-mal-Daumen-Statistiken zu erstellen, um zumindest die Größenordnung des Problems zu bestimmen, aber für unsere Zwecke hier soll es reichen festzustellen, dass die Grundprobleme des BER keineswegs einzigartig sind.

Dass Projekte einer gewissen Größenordnung und Komplexität nicht zu 100% planbar sind, dürfte also nicht weiter überraschen und ist den verantwortlichen Planern auch nicht grundsätzlich anzulasten.

Die Frage lautet aber, wie man mit der unvermeidlichen Unsicherheit umgeht! Und hier könnten Politik und Öffentlichkeit eine Menge von den Superforecastern lernen.

Wie ich eingangs erwähnte, ist die Öffentlichkeit inzwischen extrem skeptisch gegenüber genannten Eröffnungsterminen. Das ist gut und spricht für die Lernfähigkeit der Menschen; die Frage muss aber erlaubt sein: Warum traute sie jemals einem konkreten Eröffnungstermin angesichts dessen, was wir über die Grundprobleme komplexer Infrastrukturprojekte wissen? Oder, besser gesagt: warum verlangte sie je nach einem konkreten Termin? Warum werden für Projekte dieser Größenordnung immer noch konkrete Fertigstellungszeiten und -kosten angegeben, wenn die Erfahrung lehrt, dass diese selten eingehalten werden? Warum wird an diesem Termin oft öffentlich viel zu lange festgehalten, bis schließlich verkündet wird, er sei nicht mehr zu halten?

Die Methode der Superforecaster basiert, wie wir bereits an anderer Stelle dargelegt haben, wesentlich darauf, keine absoluten, sondern probabilistische Aussagen zu machen, also konkrete Wahrscheinlichkeiten zu benennen und diese im Laufe der Zeit auch zu aktualisieren.

Eine ehrlichere und am Ende effizientere Variante wäre folglich, auch bei solchen Großvorhaben von vornherein probabilistische Angaben zu machen und diese dann fortlaufen zu aktualisieren. Anstatt also z.B. einen Fertigstellungstermin in 5 Jahren zu verkünden, müssten die Planer ein Konfidenzintervall, also einen Zeitraum benennen, innerhalb dessen das Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit, sagen wir 90%, abgeschlossen werden kann, also z.B. 4-7 Jahre. 2

Dies würde zwar nicht auf wundersame Art und Weise plötzlich alle Planungen unwahrscheinlich viel effizienter werden lassen; es würde aber eine transparentere Debatte über Leistungen und Fehler der Planer erlauben! Probabilistische Vorhersagen ermöglichen eine transparente Evaluation der Planungsleistungen und die schnelle Identifizierung systematischer Irrtümer. Dass konkrete Termine nicht immer eingehalten werden, ist, wie gesagt, unvermeidlich und entsprechend entschuldbar. Wenn aber für eine Vielzahl von Projekten jeweils 90%ige Intervalle festgelegt werden und am Ende dennoch 30% aller Vorhaben nicht innerhalb dieses Intervalls abgeschlossen werden können, liegt eindeutig ein systematisches Problem vor. Weiterhin würde ein solches Verfahren auch die Befürworter einzelner Projekte zwingen, in der vorangehenden Debatte klar die Möglichkeit von Verzögerungen und Kostenüberschreitungen zu benennen.

Um die darauf noch folgende Thematik der laufenden Anpassung solcher Vorhersagen soll es im 2. Teil gehen, der hoffentlich in einigen Tagen folgen wird.

1Einen konkreten Termin versuche ich schon lange nicht mehr vorherzusagen. Ich habe noch eine vor einer ganzen Weile abgeschlossene Wette laufen, dass es in 2017 nichts mehr wird; aktuell sieht es hierfür ganz gut aus.

2Ich beschränke mich an dieser Stelle auf die etwas einfachere Zeitplanung; Kostenschätzungen sind noch ein wenig komplizierter, im wesentlichen aber ist die Entwicklung meist parallel. Heißt: was länger dauert, wird auch teurer. Umgekehrt gilt das nicht uneingeschränkt: gerade, wenn ein Termin sehr wichtig ist, z.B. bei Sportgroßereignissen wie Olympia, gelingt es oft, den Zeitplan noch einzuhalten, den Kostenrahmen aber nicht.

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